Vom 08. Feb, 2013 | Biss/CMD
Biss demnächst!
Machen Sie einmal einen kleinen Selbstversuch! Stellen Sie sich ohne Schuhe einmal locker aufrecht hin, öffnen Sie weit den Mund und schliessen Sie ihn langsam wieder. Beobachten Sie dabei, wo sich Ihre Zähne zuerst berühren.
Danach legen Sie etwas unter einen Fuss (z.B. einige Zeitschriften oder ein dünnes Buch, stellen sich wieder locker hin und wiederholen die Übung. Fast alle von Ihnen werden feststellen, dass jetzt andere Zähne zuerst in Kontakt kommen!
Eine Änderung Ihrer Körperhaltung führt also auch zu einer Änderung der Zahnstellung!
Genauso kann es sich umgekehrt verhalten!
Eine Veränderung der Zahnstellung hat Auswirkungen auf die gesamte Körperhaltung!
Kieferfehlstellung
Wie kommt es zu einer Fehlstellung und welche Auswirkungen kann das haben?
Welche Ursachen kann eine Kieferfehlstellung haben?
z.B.:
– Zahnfehlstellung (z.B. gekippte oder in Lücken “hineingewachsene” Zähne)
– Zahnverlust
– Zahnärztliche Behandlung
– neuer Zahnersatz
– zu hohe oder zu niedrige Füllungen
– kieferorthopädische Behandlung
Was kann man also tun?
Wie findet man den
“richtigen” Biss wieder?!

Die knöchernen Strukturen haben sich mit der Zeit verändert. Der Biss ist nicht mehr so, wie er früher einmal war. Die Kiefergelenke haben eine andere Stellung als früher. Vielleicht knacken Sie bei der Mundöffnungsbewegung oder der Mund geht schief auf, dies ist kein optimaler Zustand.
Die so oft praktizierte Registrierung dieser pathologischen Position hat kaum therapeutischen Nutzen. Welche Strukturen kann man also heranziehen um dir optimale Position der Kiefer (wieder-)zu finden?
Die einzigen Strukturen, die in Frage kommen ist die Muskulatur! Allerdings ist das komplexe zusammenhängende System der Muskelgruppen durch die lange Zeit der Fehlhaltung enorm durcheinandergekommen, stark verspannt, oft schmerzend und mit ausstrahlenden Triggerpunkten versehen(siehe auch kopf-schmerz).
Es ist zwingende Voraussetzung zuerst das (schmerzende) muskuläre System zu entspannen und danach(!) die entspannte Position der Kiefer zu registrieren um eine entspanntes, optimales Zusammenspiel zwischen Muskulatur, Gelenk und Knochen zu gewährleisten.
Wie gelingt die Entspannung solcher stark verspannten Muskelgruppen?
Idealerweise entspannt sich ein Muskel unter unwillkürlicher Kontraktion, d.h. man läßt mit einem sanften, nicht schmerzhaften Stromimpuls die entsprechenden Muskeln zucken. Die Entspannungsphase nach der sehr kurzen Kontraktion ist länger, so das die verspannten, ineinander verkeilten Muskelfasern und Filamente sich lösen, lockern und entspannen. Der Stoffwechsel der Muskulatur kommt wieder in Gang, Schlacken und Abbaustoffe werden abtransportiert, schmerzende Verhärtungen können sich lösen, der Biss gerät in eine entspannte Lage!
Oft merken Patienten schon nach ca. 30 Minuten der Entspannung, dass sich ihr Biss stark verändert hat. Hier als Beispiel ein Photo mit aufgeklebten Elektroden auf den Kaumuskeln.
Wie erhält man diese entspannte Position?
Idealerweise wird nach sorgfältiger Registrierung dieser entspannten Position eine Schiene angefertigt, die auf den Zahnreihen eines Kiefers getragen wird. Diese Schiene sorgt für eine weitere Entspannung der Muskulatur und für eine Sicherung der gewonnenen Position.
Hier als Beispiel ein Photo wie eine solche Schiene von oben aussehen kann. Das jemand eine solche Schiene trägt, fällt anderen Menschen in der Regel gar nicht auf.
Und wie geht`s weiter?
Es ist einleuchtend, dass eine jahrelang bestehende Fehlhaltung nicht in wenigen Sitzungen gelöst werden kann! (Gut Ding will Weile haben!)
Es ist schon eine gehörige Portion Geduld auf der Seite des Patienten und des Behandlers nötig, will man eine solche Dysfunktion erfolgreich behandeln.
Die Schiene wird regelmässig kontrolliert, angepasst, verändert und aufgebaut, bis nach einer Entspannungssitzung keine Bissveränderungen mehr auftreten und der Patient den optimal ermittelbaren Biss hat.
Häufig ist zur Korrektur der Bisslage die Zusammenarbeit mit Orthopäden, Physiotherapeuten, Ostheopathen und Kraniosakraltherapeuten notwendig um die gesamte Körperhaltung auszugleichen und Fehlbelastungen zu vermeiden.
Erst dann kann man Überlegungen anstellen wie man diese Bisslage dauerhaft erhält. Das kann z.B. über Zahnersatz oder ganzheitliche Kieferorthopädie bewerkstelligt werden.
Dr. Thorsten Hüttermann ist zertifizierter DIR System anwendender Fachzahnarzt.
Empfohlene Literatur
Jankelson: Neuromuscular Dental Diagnosis and Treatment, Ishyaku Verlag
Schöttl:: Die Cranio-Mandibulre Regulation, Hüthig Verlag
Rossaint, Lechner, van Assche: Das Cranio-Sacrale System, Hthig Verlag
Travell and Simons: Myofascial Pain and Dysfunction: The Trigger Point Manual, Williams&Wilkins Verlag
Chaitow: Modern Neuromuscular Techniques, Churchill Livingstone Verlag
Der Biss fürs Leben
Erkenntnisse und Möglichkeiten der Craniomandibulären Orthopädie
Vielen Menschen ist er im Laufe der Jahre abhanden gekommen – der Biss fürs Leben. Was hat es damit auf sich? Welchen Einfluß hat die korrekte Position des Gebisses auf die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden?
Es gibt einige prägnante Sprichworte, die auf eine Beziehung der „Bisslage“ zu Wohlbefinden und Lebensenergie hinweisen.
Menschen, die Erfolg haben fällt das Leben leicht. Sie haben den nötigen Biss, sich im Leben durchzusetzen.
Eine schwierige Aufgabe, durch die man sich durchbeißen muss wird nur bewältigt, wenn man beißen kann.
Die Schwäche, die einen überfällt, wenn man vor Problemen steht und der nötige Biss fehlt, hat sicher jeder schon einmal gefühlt. Zur Lösung dieser Probleme ist der Biss notwendig.
Wie kommt aber dieser Biss abhanden?
Dafür kann es viele Gründe geben. Der einleuchtendste Grund ist wohl die Zahnentfernung. Bei jeder Extraktion eines Zahnes gehen ein paar Kontakte zwischen den oberen und unteren Zähnen verloren. Bei der nächsten Zahnentfernung werden die Zahnkontakte wieder weniger. Und so geht es weiter bis die Beziehung des Unterkiefers zum Oberkiefer nicht mehr so ist wie vorher. Dann kann es bei vielen Menschen zu Störungen kommen.
Diese Störungen können sehr vielfältig sein und äußern sich z.B. in Kopfschmerzen und migräneartigen Attacken, welche die Schmerzqualität einer Trigeminusneuralgie erreichen können. Daher wird bei diesem Schmerzgeschehen aus Unkenntnis der Zusammenhände oft die nicht zutreffende Diagnose „Trigeminusneuralgie“ gestellt.

Ohrgeräusche (Tinnitus) und Schwindelgefühle gehören ebenso zum komplexen Symptomenkreis wie Missempfindungen zu denen Zungenbrennen und Gesichtsschmerzen zählen. Häufig findet man bei diesem Beschwerdebild durch die dauernde Muskelverspannung sogenannte Triggerpunkte in der Muskulatur.
Solche Triggerpunkte sind verhärtete, schlecht versorgte Zonen in der Muskulatur, welche die unangenehme Eigenschaft haben, an anderer Stelle Schmerzen auszulösen. So kann z.B. ein Triggerpunkt im seitlichen Kaumuskel Zahnschmerzen im Unterkiefer auslösen. (Abb. 1) Diese Projektionsschmerzen verschwinden natürlich nicht nach einer Wurzelbehandlung oder Zahnentfernung, wie sie in solchen Fällen häufig aus Unkenntnis des Triggerpunktgeschehens von Zahnärzten in bester Absicht durchgeführt wird.
Erst eine Triggerpunktbehandlung, die eine Entspannung, Dehnung und Gesundung des Muskels zum Ziel hat wird diese Schmerzen lindern.
Da die Muskulatur des Kopfes und der Kau- und Halsmuskulatur über Funktionsketten miteinander und auch mit der Wirbelsäulenmuskulatur in Verbindung stehen, ist die Folge einer solchen Fehlfunktion oft eine Störung der Körperhaltung.
Patienten mit diesen Problemen haben dann auch Rückenbeschwerden, müssen oft zum Orthopäden oder Physiotherapeuten ohne daß Ihnen langanhaltend geholfen werden kann.
Diese Funktionsstörung wird von Spezialisten als Craniomandibuläre Dysfunktion bezeichnet.
Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß eine ursächliche Fehlhaltung zwischen Unterkiefer (mandibula) und dem Rest des Kopfes (cranium) vorliegt.
Unter Spezialisten, deren Arbeit mit diesem Themenkomplex zu tun hat gibt es kaum übereinstimmende Meinungen und Therapieansätze. In der Gnathologie, der Lehre von der Zugehörigkeit der Zähne zueinander, existieren die unterschiedlichsten Lösungsansätze und Therapiewege, die individuell mehr oder weniger erfolgreich verlaufen können.
Das International College of Craniomandibular Orthopedics (I.C.C.M.O.) ist eine internationale Forschungsgemeinschaft, die es sich seit ihrer Gründung in den USA im Jahre 1979 durch Dr. Bernhard Jankelson zur Aufgabe gemacht hat, diese sogenannten neuromuskulären Funktionsstörungen zu erforschen und zu therapieren. Besonderer Wert wird im ICCMO auf eine fachübergreifende Zusammenarbeit gelegt, so dass nicht nur die Erkenntnisse von Zahnärzten, sondern auch von Neurologen, HNO-Ärzten, Pathologen und Physiotherapeuten in die Forschung einfliessen.
Kern der Diagnose- und Therapieansätze des I.C.C.M.O. ist die Tatsache, daß in einem funktionsgestörten Kausystem die festen Strukturen wie das Kiefergelenk mit seinen knöchernen Anteilen pathologisch verändert sind. Die „falsche“ Position dieser Gelenke kann also nicht als Ausgangspunkt dienen um eine korrekte Kieferlage herbeizuführen, da bei Registriermaßnahmen lediglich pathologische Positionen ermittelt werden können.
Wie also ist es möglich eine optimale, individuell für den Patienten verträgliche Kiefergelenksposition zu finden?
Welche Strukturen kann man heranziehen um den Biss wiederzufinden?
Da die „festen“ Strukturen wie Knochen und Gelenke bei einer pathologischen Veränderung nicht mehr dem gesunden Zustand entsprechen, bietet sich zur Rekonstruktion das muskuläre System an, welches nach einer ausführlichen Entspannungstherapie in die frühere optimale Position gebracht werden kann.

Die Entspannung dieses muskulären Systems wird hauptsächlich erreicht durch eine besondere Elektrotherapie (die sog. Tenstherapie), bei der die Muskulatur mit einem definierten Stromimpuls von bestimmter Dauer zur Kontraktion angeregt wird. Durch diese unwillkürliche Bewegung erhält die Muskulatur Gelegenheit sich zu lösen und zu entspannen. (Abb. 2)

Da die bewusst von Behandler oder Patient geführte Unterkieferposition auch nur subjektiv „richtig“ sein kann, wird die unwillkürliche Kontraktion der Muskeln ebenfalls für die „muskulär geführte“ Registrierung der Gebisssituation genutzt.
Mit Hilfe dieses Registrates wird dann eine spezielle Aufbissschiene, eine sog. Bissorthese angefertigt, die es dem Patienten erlaubt, diese entspannte neu gefundene Position auszuprobieren und zu erhalten. (Abb. 3)
So kann oft in erstaunlich kurzer Zeit ein Therapieerfolg in Form von Schmerzlinderung herbeigeführt werden, auch bei Patienten, die mit einer ganzen Schienensammlung zum Spezialisten kommen.
Nach erfolgreich verlaufener (Schienen-) Bissorthesen-Therapie ist eine Fixierung der neu ermittelten Bisslage z.B. mit Zahnersatz möglich.
Die weltweit vertretenen Mitglieder des International College of Craniomandibular Orthopedics finden sich einmal im Jahr in einem Land der Welt zusammen um neue Erkenntnisse auszutauschen und konstruktiv zu diskutieren.
Das ICCMO lädt alle Spezialisten zur Teilnahme ein, zur konstruktiven Mitarbeit und zur kontroversen Diskussion um weitere Schritte zu gehen auf dem Weg Ihn zu erforschen – den Biss fürs Leben.